photo by Ellen Schmauss, visuals by Fluido Cosmico 2022

Tamburi Mundi 2013

Poster_Tamburi Mundi 2013

8. Internationales Festival für Rahmentrommeln (27.07. - 04.08.2013)

Das Rahmentrommelfestival Tamburi Mundi 2013 blieb in der achten Auflage seiner Ausrichtung treu, die verschiedensten Rahmentrommeltraditionen auf der Bühne, in den Kursen und in den vielen Sessions, die spontan im E-Werk stattfanden, zusammen zu bringen. Rahmentrommler:innen aus ganz unterschiedlichen Ländern und Kulturen trafen aufeinander, auch andere Instrumente waren vertreten, dazu Gesang und Tanz. Neun Tage lang waren Rahmentrommelstars und Newcomer, filigrane Technik und ohrenbetäubende Schlagkraft, leise Töne und pulsierende Rhythmen zu erleben. Man konnte u.a. ein großartiges Barockkonzert besuchen, eine feurige Gipsy-Nacht, beeindruckende Solokünstler:innen und neugeformte Rahmentrommelorchester-Ensembles.

Murat Coşkun ist es auch beim diesjährigen Festival gelungen, seine Idee von grenzüberschreitenden Begegnungen in den einzelnen Konzerten und der ganzen Festivalatmosphäre für Teilnehmer:innen und Publikum erlebbar zu machen. Dass Tamburi Mundi kein Fertigprodukt ist, macht es sympathisch. Dass viele Konzerte und Künstler-Konstellationen ein offener Prozess sind, dessen Ergebnis sich erst im Laufe der Festivalwoche herauskristallisiert, macht die Einmaligkeit dieses Festival aus und hinterlässt bei manch einem Konzertabend das Gefühl, an etwas Besonderem teilgehabt zu haben.

Doch zuerst einmal zum Kursprogramm: Die Rahmentrommel-Legende Glen Velez war nicht zum ersten Mal Tamburi Mundi-Gast. Dass er immer wieder den Weg nach Freiburg findet, ehrt Festivalleiter Murat Coşkun, wie er stets betont und auch die Kursteilnehmer:innen wissen das zu schätzen. So war Glen Velez mehrtägiger Rahmentrommelkurs schon bald nach der Ausschreibung ausgebucht. Der Meister selbst scheint sich sehr wohl zu fühlen in der teils lockeren, teils arbeitsintensiven Festivalatmosphäre. An manchen Abenden spielte er als Gast, ein Konzertabend aber war ihm allein gewidmet – in erster Linie dem Komponisten Glen Velez, als der er vor allem in den USA immer stärker tätig ist. An diesem Abend präsentierte er ein hochkarätig besetztes Rahmentrommel-Orchester (G. Kumar, Y. Afterman, T. Tajima, N. Thiele, A. Kosimov und M. Coşkun), das Velez´ eigen dafür komponierte Stücke spielte.

Des Weiteren gab es Rahmentrommelkurse für alle Niveaustufen. Mit Ganesh Kumar, Nora Thiele, Yshai Afterman und Marla Leigh waren sehr erfahrene und geschätzte Dozent:innen für die fortlaufenden Vormittagskurse dabei. An den Nachmittagen sorgte ein buntes Workshop-Angebot für viel Abwechslung: Bewegung, Tanz, Gesang, Konnakol, Improvisation und Kurse für Rahmentrommeln vom Tamburello bis zur usbekischen Doyra. Alle Dozent:innen hier zu nennen führte zu weit.

Im DrummingVoices-Chor experimentierten und probten Loire (Lori Cotler) und ihre Kursteilnehmer:innen drei Tage lang, um anschließend ein mitreißendes Stück auf die große Konzertbühne zu bringen.

Der Anteil der Frauen im Kursprogramm und auf der Bühne war dieses Mal augenfällig. Das lag zum einen am Festivalprojekt  „Der Klang des Fremden“, sollte aber auch den Blick darauf lenken, dass die Rahmentrommel in den meisten Kulturen zu allererst ein von Frauen gespieltes Instrument war und ist und dabei nicht loszulösen ist von Tanz und Gesang.

 

Das Festivalprojekt 2013 „Der Klang des Fremden“ und seine Künstlerinnen

Acht Trommlerinnen und zwei Tänzerinnen aus unterschiedlichen Ländern arbeiteten innerhalb der Festivalwoche intensiv zusammen, um das Fremde aufzuspüren und diese Begegnung künstlerisch hör- und sichtbar zu machen. Was die Frauen am Samstagabend präsentierten, war von großer Qualität und einer berührenden Schönheit, akustisch, visuell - inspirierend, eine behutsame Annäherung, kraftvoll…

Einige der Frauen waren auch in anderen abendlichen Konzert-Formationen und natürlich als Dozentinnen in Kursen und Workshops auf dem Festival präsent. Die indische Ghatam-Meisterin Sukanya Ramgopal verstärkte den Länder-Schwerpunkt Indien zusammen mit der Kanjira-Größe Ganesh Kumar. Die Darbukka-Spielerin Raqui Danzinger stand in der Gipsy-Night mit dem Perkussion-Virtuosen Mehmet Akatay auf der Bühne. Die US-Drummerin Marla Leigh überzeugte auch außerhalb der Bühne in ihren Rahmentrommelkursen, die Brasilianerin Angela Frontera gab mit ihrem Duopartner Marcio Tubino ein ausverkauftes „Brazil Percussion“-Konzert. Die beiden Tänzerinnen Gülay Sütçü aus Istanbul (Roma-Tanz) und Bettina Castaño aus Sevilla (Flamenco) erweiterten auf großartige Weise das künstlerische Spektrum des Festivals und ihre Kurse fanden großen Zuspruch. Bei ihrem umjubelten Auftritt beim Kirchenkonzert „Tamburi Mundi meets Freiburger Barockorchester“ zeigte Bettina Castaño, dass nicht nur Rahmentrommler sich wunderbar in diese alte Musik integrieren lassen, sondern auch die rhythmusstarken Klapperschritte einer meisterhaften Tänzerin.

Was aber war denn nun der Höhepunkt des diesjährigen Festivals? Für mich gab es mehrere Bergspitzen - herausragende Momente. Der eben genannte Barockabend mit dem weltbekannten Freiburger BarockConsort mit Hille Perl und Lee Santana und den Rahmentrommlern Glen Velez, Murat Coşkun und Pere Olivé samt ihren Gästen Michel Godard und Maria Ferré war sicher einer davon. Man musste sich nach dem Konzert nur unter die Besucher:innen mischen, um zu merken, dass man mit seiner Begeisterung nicht alleine war. Durch den Radio-Mitschnitt des SWR bietet sich am 30. November die tolle Möglichkeit, sich dieses besondere Konzert (noch einmal?) anzuhören.

Und dann kam GOCOO. Unüberhörbar, wuchtig, meisterhaft, strahlend brachten die elf Taiko Trommler:innen aus Tokio das Freiburger E-Werk zum Beben und veranlassten das Publikum zu Standing Ovations. Mit solch einem Festival-Abschluss hätte selbst Festival-Leiter Coşkun nicht gerechnet (wie er in seiner Begrüßungsrede zugab), als das Festivalprogramm vor einigen Wochen kurz vor dem Druck stand.

Auch die leisen Töne hatten durchaus etwas zu bieten: Das israelische Duo Yshai Afterman und Itamar Erez begeisterte das Publikum ebenso wie die Solo-Künstler:innen Maryam Hatef (Iran) und Takashi Tajima (Japan) im ausverkauften Kammertheater.

Mit dem Thema „Lesung und Musik“ betrat das letztjährige Tamburi Mundi Festival noch Neuland, dieses Mal waren gleich zwei Autoren an verschiedenen Abenden zu Gast. Der deutsch-türkische Schriftsteller Feridun Zaimoǧlu las, ergänzt vom Rahmentrommelspiel Murat Coşkuns, aus seinem Roman Leyla. Marokkanische Gnawa-Trommler und Thomas Gundermann begleiteten den außergewöhnlichen Reisebericht Andeas Kirchgäßners, der von einer denkwürdigen Begegnung mit musizierenden Schlangenbeschwörern in Marrakesch erzählte.

Der Iraner Mohammad Reza Mortazavi spielte wie kein zweiter und doch war es, als wohnte man keinem Solo-Konzert, sondern einer ganzen Gruppe von Trommlern bei. Fliegende Hände, die Beschreibung traf zu, virtuos in allerhöchstem Maße, brillant. Applaus, der die Wertschätzung der Zuhörer:innen deutlich machte.

Aufhorchen ließ auch der Doyra-Meister Abbos Kosimov mit seiner kraftvollen Perkussion, in seiner Heimat ein Star und in der Szene längst zum Geheimtipp geworden.

Tamburi Mundi ist ein internationales Festival, weit über die Grenzen Deutschlands im Gespräch. Selbst Teilnehmer:innen reisen inzwischen von überall her zu den international besetzten Kursen an. Instrumentenaussteller:innen (dieses Jahr aus Spanien, Italien, Japan, USA Deutschland und der Türkei) füllen einen ganzen Saal. Gleichzeitig spürt man aber, wie sehr das Rahmentrommelfestival in der Freiburger Kulturlandschaft verankert ist. Viele kostenlose Mitmachangebote, ein Rahmenprogramm auch für Kinder und Familien und Menschen mit Behinderungen, ein Auftakt-Abend mit einer Sport-Trommel-Gruppe aus der iranischen Partnerstadt Isfahan zu Gast. Das Festival gehört zum Freiburger Sommer, auch wenn die Hitze dieses Jahr alles etwas stöhnen ließ. Die Konzertsäle waren sehr gut gefüllt, einige Gesichter, die man immer wieder traf, an manchen Tagen konnte man sich zwischen vier verschiedenen Konzerten entscheiden, oder einfach alle vier besuchen.

Was ist Tamburi Mundi?  Ein Treffen der Rahmentrommelstars, das die Fachwelt aufhorchen lässt? Ein großes Happening? Ein Karrieresprungbrett für junge Talente? Eine Art „Familientreffen“ der Rahmentrommelszene? Ein fortdauerndes Konzertereignis? Ein Abtauchen in Rhythmen und Klänge? Tamburi Surprise?

Ich meine von allem etwas!

(Uli Kudla)