Tamburi Mundi 2014 - "RITUALS"

Poster_Tamburi Mundi 2014_Rituals

9. Internationales Festival für Rahmentrommeln (02.08. - 10.08.2014)

Das Festival ist zu Ende! Die Kursteilnehmer:innen, die noch vor kurzem bunt, fröhlich, laut das E-Werk bevölkerten sind abgereist, die Dozent:innen und Künstler:innen zum Bahnhof oder Flughafen gebracht, schon trudeln die ersten E-Mails ein: „Danke, es war wieder einmal wunderbar!“ Trommeln werden in Kisten verpackt, Mikros verstaut, die Session-Ecke abgebaut – als wäre nichts gewesen? Nein, da war was!

Ich spüre das an meinen müden Beinen, aber auch an diesem guten Gefühl, das all die Erinnerungen, die in meinem Kopf schwirren, auslösen. Da war sehr sehr viel Musik an diesen letzten Tagen, gute, ansteckende Laune, trotz allem, was es zu organisieren gab, so viele trommel-begeisterte Menschen, kurze Nächte, lange Tage, aber es hat sich gelohnt:

Neun beeindruckende Konzertabende, 17 Konzerte (nein, eigentlich 33, denn an der Langen Nacht der Trommeln wurde auf vier Bühnen gleichzeitig gespielt und das bis weit nach Mitternacht), 30 Trommel-Workshops, in denen geschwitzt, gepaukt, gelacht und gegroovt wurde – wieder heiß begehrt die Frame-Drum-Kurse bei Rahmentrommel-Star Glen Velez, Exotisches beim indischen Meister Ganesh Kumar (Kanjira) und beim portugiesischen Perkussionisten Rui Silva (Adufe), ausgebuchte Anfängerkurse bei Nora Thiele, Cajon-Kurse bei Festivalleiter Murat Coşkun, Fortgeschrittenen Frame-Drummer arbeiteten mit Yshai Afterman (Israel), Paolo Rossetti unterrichtete italienisches Tamburello, Mohsen Taherzadeh die persische Daf, für Irland-Fans gab Dave Boyd Einführungskurse in die irische Bodhran und der Samul Nori Meister Juhong Kim aus Korea führte in schamanisches Trommeln ein. Mit im Dozententeam waren auch die Freiburger Perkussionisten Philipp Kurzke, Peer Kallis und Heiner (Rico) Kirsch. Beim Weltmusik-Chorprojekt mit Lygia Campos kamen über 50 Sänger:innen zusammen. Inzwischen schon liebgewordenen Tradition und für manch eine/n der heimliche Höhepunkt der Festivalwoche: Trommelbeat unterm Sternenhimmel im Schein der Fackeln mit Bill und die von Rico angeführte Drumparade frech schallend mit Trommeln und Schalmeien quer durch Freiburgs Innenstadt.

Das Festival-Motto „Rituals“ gab dieses Jahr den Ton an. Der rituelle Aspekt der Rahmentrommeln, Rituale in der Musik und auf der Bühne war der Leitgedanke der zentralen Festivalkonzerte: Bei der Marokkanischen Nacht gaben Aissaoua-Musiker aus Marrakesch einen faszinierenden Einblick in die musikalischen Rituale eines Sufi-Ordens, begleitet von Bendir-Klängen und fast ohrenbetäubendem Schalmeienklang. Bei Sufi Souls, einem Abend der rituelle Musik aus Iran, Marokko und der Türkei präsentierte, zog nicht nur der rotgewandete Derwischtänzer Talip Elmasulu alle Blicke auf sich.

Beeindruckend war das Zusammenspiel der verschiedenen Sufi-Traditionen, eine große gemeinsame Zelebration der Vereinigung durch Musik. Ein begeistertes Publikum im ausverkauften Haus bedankte sich. Dass am darauffolgenden Abend die persische Rahmentrommel Daf mit ihrer herausragenden Rolle in der persischen Sufimusik im Mittelpunkt stand, war kein Zufall. Mohsen Taherzadeh zeigte wieder einmal sein meisterhaftes Können, dieses Mal aber ganz in den Dienst der Kontemplation gestellt.

Am selben Abend gab Rahmentrommel-Guru Glen Velez in seinem Solokonzert „Das Trommeln der Schamanen“ einen intimen Einblick in seine langjährige Verbundenheit mit der Rahmentrommel.

Höhepunkt der Rituals-Reihe war das gleichnamige Konzert gegen Ende der Festivalwoche. Die Namensliste der teilnehmenden Rahmentrommler:innen war lang: Nora Thiele, Yshai Afterman, Ganesh Kumar, Glen Velez, der diesjährige Artist in Residence Paolo Rosetti, Juhong Kim - um nur einige von ihnen zu nennen. Die Sängerinnen Loire und Lygia Campos gesellten sich dazu und wir erlebten ein koreanisches Schamanen-Gebet, ein rituelles Arbeiterlied aus Brasilien, Capoeira, ein indisches Ritual, dem Elefanten-Gott Ganesh gewidmet, ein iranisches Begräbnislied und Aspekte einer rituellen Waschung. Dass fließend Grenzen überschritten werden, der eine Rhythmus sich zum anderen gesellt und Musiker aus unterschiedlichen Kulturen gemeinsam dem Puls der Trommelmusik folgen, macht die Tamburi-Mundi-Konzerte seit jeher zu einem besonderen Erlebnis. Dass die Zuschauer:innen am Anfang die Handys an- anstatt ausstellen sollen und später sich am Ende das Publikum verbeugen soll und die Künstler:innen applaudieren, bringt viele zum Lachen und soll deutlich machen, wie Murat Coskun schmunzelnd erklärt, dass selbst ein Konzertabend so manchen festen Ritualen folgt.

Wieder einmal verblüfft, dass all diese Tamburi-Mundi-Konzertprogramme davor noch nicht existierten – und wahrscheinlich auch kein zweites Mal so wieder zur Aufführung kommen werden. „Ich spreche vorher mit den Künstlern“, sagt Festivalleiter Murat Coşkun, „erzähle von meinen Ideen, wir entwickeln sie gemeinsam weiter und die Musiker lassen sich auf einen offenen Prozess ein. Das macht unser Zusammentreffen hier sehr intensiv.“ Da verwundert es nicht, dass der Probenplan während der Festivalwoche eng bestückt ist und manches Duo oder Trio nur noch in den Kellerräumen einen Platz zum Proben findet.

Dort findet man auch (immer dem Beat nach gehend) die Percussion-Jugend des Festivals, bundesbeat – das Bundespercussionensemble. Zusammen mit ihrem Leiter Professor Johannes Fischer arbeiten sie in den Katakomben des E-Werks an einem Programm, das Tage später das Freiburger Publikum von den Sitzen hebt. Modernes Anspruchvolles wie Drumming von Steve Reich wird gezeigt, aber auch traditionelle koreanische, persische und italienische Rhythmen, die die Nachwuchs-Drummer mit den Tamburi-Mundi-Meistern Juhong Kim, Mohsen Taherzdeh und Paolo Rossetti konzentriert auf die Bühne bringen. Ein erfolgreicher Blick über den Trommelrand!

Auch außerhalb der Konzerträume wurde in der Festivalwoche viel gearbeitet, improvisiert und experimentiert. Rahmentrommelkurse (Riq, Tamburello, Tammorra, Bodhran, Kanjira, Adufe, Daf) für alle Niveaus, dazu Cajon und Gesang – einige suchen den Lehrer aus, die anderen das Instrument. Die Vormittags- und Nachmittagskurse sind gut besucht, Teilnehmer:innen reisen aus der ganzen Welt dafür an. Alle eint die Neugier und die Freude am Spiel der Instrumente, die Teil dieser vielseitigen Rahmentrommelfamilie sind. Und fühlt man sich selbst nicht auch ein wenig so? Macht das diese ganz besondere Tamburi-Mundi-Stimmung aus? Zwischen den Kursen wird in Grüppchen musiziert, spontane Sessions finden statt oder ein Überraschungsauftritt für das Tamburi-Surprise-Konzert ausgeheckt.

Hier formierte sich im letzten Jahr die Percussion-Gruppe Radio „Casa São Paio“, die dieses Jahr einen gefeierten Auftritt hatte und inzwischen schon die erste CD präsentieren kann!

Im Austellerraum bei der Tamburi-Mundi-Instrumentenmesse ist ständig was los: Neue Trommeln werden in Augenschein genommen, Neuheiten präsentiert, ausprobiert, verglichen, diskutiert. Dieses Jahr stellten acht internationale Instrumentenbauer ihre Instrumente aus. Eine einzigartige Möglichkeit, ganz in Ruhe handgefertigte Meister-Instrumente zu testen und zu vergleichen.

Wer noch mehr von Tamburi Mundi hören oder sehen möchte, findet hier auf unserer Webseite noch weitere Berichte, Fotos und Filme zum Stöbern…

Und wem all das Lust auf dieses außergewöhnliche Festival für Rahmentrommeln macht: Im kommenden Jahr gibt es die Celebration-Ausgabe zum zehnjährigen Jubiläum – in Freiburg im Breisgau vom 1. bis zum 9. August 2015!

Uli Kudla